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„Es bekommt immer der die schönere Antwort, der die schwierigere Frage stellt“

Im Februar 1994 wurde an der Universität St. Gallen unter dem Titel „Management in der Postmoderne – Phänomene, Unterscheidungen, Perspektiven …“ eine Dissertation vorgelegt, die sich mit der Frage befasst, was man aus der modernen Erkenntnistheorie – Stichworte dazu: „Radikaler Konstruktivismus“, „Second Order Cybernetics“, „Autopoietische Systemtheorie“ –, personifiziert in Namen wie Heinz von Foerster, Gregory Bateson und v.a. Niklas Luhmann, für die Theorie und Praxis des Managements lernen kann.

Aus Sentimentalität und Nostalgie – in Verbindung mit der beim Wiederlesen entstandenen Erkenntnis, dass nicht alles, was mir damals schlau schien, heute komplett dummes Zeug sein muss –, hier einige Inhalte noch einmal zusammengefasst.

LEITIDEE: „Die“ Realität gibt es nicht – sie wird von Beobachtern (die sich gegenseitig beobachten) konstruiert.

  • „Beobachten muss und kann Unterscheidungen wählen und es kann in Bezug auf die Unterscheidungen, die es wählt oder auch in Bezug auf die, die zu wählen es vermeidet, beobachtet werden. Das ist die Quelle des Relativismus. (…) Da Unterscheidungen in großer Zahl zur Verfügung stehen und man dasselbe auf sehr verschiedenartige Weise unterscheiden kann, gibt es keine beobachterunabhängig vorgegebene Realität.“ (N. Luhmann)

RESULTIERENDE HERAUSFORDERUNG: Trotzdem (irgendwie) weitermachen (können).

  • „Es gibt, kurz gesagt, keine trigonometrischen Punkte mehr, von denen aus mit Anspruch auf unbestrittene Orientierungsgeltung beobachtet werden könnte. Von irgendwoher kann die Konstruktion gesehen, ihre Selektivität registriert und artikuliert werden. Damit ist eine Bedarfslage gekennzeichnet, die Realitätskontrolle auch noch unter der Bedingung polykontexturaler Beobachtungsverhältnisse gewährleisten kann.“ (P. Fuchs)

MÖGLICHE ANSATZPUNKTE FÜR JEDE ART VON „MANAGEMENT“:

  • „Soziales Geschehen“ nicht vom Einzelnen, seinen Motiven, Absichten und Ideen, sondern von den faktisch beobachtbaren Austausch- und Kommunikationsprozessen her begreifen.
    „Nimmt man das Individuum empirisch ernst, mit all dem, was physikalisch, chemisch, neurophysiologisch und gedanklich zu seiner Realisation beiträgt, (…) schließt das jede anthropologische Fundierung von Sozialtheorien aus.“ (N. Luhmann)
  • Akzeptieren, dass „rationales Handeln“ weitgehend illusorisch ist.
    „Je komplexer ein Entscheider seinen Kausalkontext zu berechnen versucht, desto wichtiger werden die unbeabsichtigten gegenüber den beabsichtigten Folgen und die Beschränkungen gegenüber den Zwecken. Bemühungen um Rationalität verlagern den Schwerpunkt ins Unverfügbare und bringen sich damit zum Scheitern.“ (N. Luhmann)
  • Nicht glauben, dass man allzu viel Kontrolle über die Dinge hat.
    „Ein strikt operativer Ansatz der Systemtheorie (aber ebenso auch jeder Theorie der Zeichenverwendung, also etwas der Sprache) führt zu der Annahme, dass alles, was geschieht, gleichzeitig geschieht. (…) Und Gleichzeitigkeit allen Geschehens heißt: Unkontrollierbarkeit allen Geschehens.“ (N. Luhmann)
  • Stattdessen lieber anstelle von „Richtigkeit“ auf „Robustheit“ setzen:
    „De futuribus contingentibus gibt es keine wahren und falschen Annahmen, sondern nur Unentscheidbarkeiten. (…) Die einzig sinnvolle Strategie ist dann ein Probieren, das sich selbst misstraut und mit Änderungsvorbehalt ausstattet. (…) Man kann nur die eigene Robustheit, und mit ihr die Möglichkeit, sich auf Risiken einzulassen, steigern, und auf diese Weise die Codewerte akzeptabel/nicht-akzeptabel verschieben.“ (N. Luhmann)
  • Beim Versuch zu verstehen, was passiert, Immer auch schauen, wer welche Interessen vertritt – und wer welche Machtmittel zur Verfügung hat.
    „Jede Ernst zu nehmende Analyse kollektiven Handelns muss (…) Macht in das Zentrum ihrer Überlegungen stellen, denn kollektives Handeln ist im Grunde nichts anderes als tagtägliche Politik. Macht ist ihr ‚Rohstoff‘.“ (M. Crozier / E. Friedberg)
  • Ambitionierte Planung durch „Einfach mal Probieren“ ersetzen.
    „Willst Du erkennen, lerne zu handeln.“ (H. v. Foerster)
  • Weniger am Ideal des Plans und des Modells als am konkreten Einzelfall orientieren.
    „Um gut zu leben, muss man das hören, was es zu hören gibt, und nicht das, was man zu hören erwartet.“ (J. Cage)
  • Von der Suche nach ‚richtigen‘ Antworten zur Formulierung ‚anderer‘, nicht erwarteter Fragen übergehen.
    „Es bekommt immer der die schönere Antwort, der die schwierigere Frage stellt.“ (G. Bateson)
  • Statt auf Optimierung auf „permanente Störung des Systems“ setzen.
    „Alles, was nicht Information, nicht Redundanz, nicht Form und nicht Einschränkung ist, ist Rauschen – die einzige Quelle neuer Muster.“ (G. Bateson)
  •  „Scheitern“ als valide Option akzeptieren.
    „Alles ist zu gewinnen aus dem grössten Verlust. Der Geist lebt von Verheerung.“ (L. Aragon)
    „Je unlösbarer das Problem, desto grösser sein Reproduktionswert.“ (N. Luhmann)
  • Den Fokus von Effektivität und Effizienz (80:20) auf Perfektion (100%) verschieben.
    „Keine Sache ist von Bedeutung, keine Sache ist wichtig, aber von Bedeutung und wichtig ist, dass Du alles, was Du tust, so gut wie möglich tust. Nur so. Als Übung. Mehr nicht.“ (H. v. Wetering)

Was man als junger Kerl halt so schreibt … :- )

Wann Arbeiten mit McKinsey sinnvoll sein kann – und wann vielleicht eher nicht …

Nachdem wir in einem Reorganisationsprojekt für eine große Business Unit in Schieflage in weniger als 8 Wochen und mit einem externen Beratungsinvest in kaum 6-stelliger Größenordnungen die konzeptionelle Basisarbeit und notwendige Mobilisierung für das Thema geleistet, das gewünschte Management-Alignment und die Entscheidungsfindung zum Zielmodell herbeigeführt, die Schlüsselspieler ins Boot geholt und die initiale Kommunikation zur Neuausrichtung auf den Weg gebracht haben, hat mich letzte Woche der Vorstandsvorsitzende eines Klienten gefragt, in welchen Themen ich ihm denn zukünftig noch die Zusammenarbeit mit einer klassischen Topmanagement-Beratung empfehlen würde.

Eine mögliche Antwort liefern die laufenden Publikationen, Internet- und Social Media-Veröffentlichungen der führenden Topmanagement-Beratungen McKinsey oder BCG. Wer diese verfolgt, wird schnell erkennen, dass das Meiste, was nicht reinen „me-too“-Charakter hat, sich um „Market Insight“ oder „Competitive Insight“ dreht. Sprich: Um die Frage, wie sich bestimmte Märkte (in denen ich vielleicht aktiv werden möchte oder schon aktiv bin) oder Wettbewerbskonstellationen in diesen Märkten historisch entwickelt haben, aktuell darstellen oder zukünftig verändern werden.

Warum das so ist, ist leicht erklärt: In diesen beiden Feldern haben die großen Beratungen unbestrittene Alleinstellungsmerkmale. Sie sind weltweit präsent, haben entsprechende Marktkenntnis, und oft auch direkten Kontakt zu den als relevant eingeschätzten Wettbewerbern. Und ihre lokalen Practices führen schon aus Eigennutz vielfältige Analysen durch, die man oft nur noch verdichten, redigieren und verfügbar machen muss.

Eher wenig Wegweisendes wird dafür bei McKinsey und Co. oft finden, wer mit handfesten spezifisch funktionalen Fragestellungen unterwegs ist: Wie entwickle ich meine strategische Ausrichtung möglichst effizient weiter? Wie optimiere ich meinen organisatorischen Setup und mein Go-To-Market? Wie steigere ich meine Sales Performance? Wie verbessere ich rasch und nachhaltig meine Ertragssituation? Etc.

Für solche Fragestellungen, in denen hohe Seniorität des Gesprächspartners und langjährige Industrie-Erfahrung, passgenaue Wettbewerbs-Insights und eine tiefe Best Practice-Kenntnis relevant werden, wird der spezifische Wert der großen Player und ihrer oft junioren Projektteams schnell zweifelhaft. Erst recht, wenn neben der Kompetenzfrage noch Kosten-Nutzen-Überlegungen oder „Ease of Collaboration“ ins Spiel kommen.

Wenn meine Klienten neben den erstklassigen Ergebnissen der gemeinsamen Arbeit vor allem den hohen „Zug zum Tor“ und die pragmatischen, kleinformatigen Zusammenarbeitsmodelle loben, die wir typischerweise gemeinsam etablieren, dann liegt nahe, dass sie gerade hier nicht die Stärken von McKinsey, BCG und Kollegen sehen.

Damit ist im Umkehrschluss dann auch geklärt, wann man sinnvollerweise auf die großen Berater zurückgreifen sollte: (1.) Wenn ich jemanden suche, der mir helfen kann, Internationalisierung oder ein New Market Entry sorgfältig zu durchdenken und zu simulieren, und der mir dafür lokal relevante Perspektiven und ggf. lokale wettbewerbsbezogene Insights zusteuern soll. (2.) Wenn im Rahmen eines strategischen Veränderungsprojektes Vor-Ort-Analysen und -Aktivitäten in mehreren Ländern notwendig werden, die ich bei einem Beratungspartner in einer Hand wissen möchte. Oder (natürlich) (3.): Wenn der Name und Ruf des Beraters mir wichtig ist und ich mir nicht vorwerfen lassen möchte, ich hätte auf das falsche Pferd gesetzt.

Für alles andere gibt es intelligentere Ansätze.

Vom Killer App-Potenzial eines Business Plans

Wohl nicht zufällig sind „Die Kunst des klaren Denkens“ von Rolf Dobelli und das Nachfolgewerk „Die Kunst des klugen Handelns“ beliebte Executive-Lektüre: Wer will nicht gerne „klar denken“ und „klug handeln“.

Fakt ist allerdings wohl, dass beides dem modernen Menschen meist nur eingeschränkt gelingt. Dobelli, der Anfang der 1990er gemeinsam mit mir an der Universität St. Gallen studiert hat, erinnert unter anderem daran, dass …

  • wir immer wieder systematisch unsere Fähigkeiten überschätzen (selbst wenn wir behaupten, wir wären der pessimistische Typ); und die wenigsten einmal erfolgreichen Firmengründer diesen Erfolg noch einmal wiederholen können (obwohl es viele versuchen) – weshalb man auch annehmen darf, dass „Glück“ für einen erfolgreichen Start-Up viel entscheidender ist als (sicher auch relevante) Unternehmer-Fähigkeiten. Mit Warren Buffett: „Deine Leistung als CEO ist viel stärker abhängig von dem Business Boot, in dem Du sitzt, als von Deinen Ruderkünsten.“
  • wir weder Wahrscheinlichkeiten noch Risiken intuitiv einschätzen können.
  • Experten in der Regel nicht besser arbeiten als ein Zufallsgenerator.
  • Gruppendiskussionen nachweislich dazu führen, dass riskantere Entscheidungen beschlossen werden.
  • sich 90% menschlichen oder organisationalen Verhaltens durch das etablierte Anreizsystem erklären lassen.
  • Bezahlung überall dort, wo Menschen vorher etwas aus nicht-monetären Gründen getan haben, unwiederbringlich zum Zerfall dieser Bereitschaft führt.
  • wir systematisch die Rolle des Neuen überschätzen, die allermeisten neuen Zaubertechnologien über kurz oder lang dem „Bullshit-Filter der Geschichte“ (Nassim Taleb) zum Opfer fallen werden, und wir vermutlich besser daran täten anzunehmen, dass der Alltag in 50 Jahren größtenteils noch so aussehen wird wie unser heutiges Leben.
  • wir dazu neigen, Informationen sofort wieder zu vergessen, völlig unabhängig von der faktischen Relevanz, und dass uns auch aus langen Vorträgen, vielschichtigen Diskussionen und intensiver Zusammenarbeit am Ende vor allem der letzte Eindruck, der Schluss, die Pointe in Erinnerung bleibt.
  • Krisen nur selten Chancen sind (auch wenn wir es uns einreden), sondern fast immer nur eine massive Schwächung der (unternehmerischen) Substanz bedeuten, die man mühsam und schmerzhaft wieder aufbauen muss.
  • wir bei Investitionsentscheidungen gerne der Projektion nach vorne und weniger dem Blick in die Historie vertrauen, obwohl man überall dort, wo für den Verfasser der Enscheidungsvorlage „einmalig viel“ auf dem Spiel steht, darauf wetten kann, dass er bezüglich seiner Leistungsfähigkeit im Zweifelsfall übertreiben, unseriös kalkulieren oder haltlose Zusagen machen wird.
  • wir davon besessen sind, auf möglichst vielen Hochzeiten zu tanzen, nichts auszuschließen und für alles offen zu sein – obwohl wir wissen können, dass jede Option, die wir uns offenhalten, Kosten verursacht, mentale Energie abzieht und wertvolle Denk- und Lebenszeit verbraucht. „Der CEO, der jede erdenkliche Expansionsmöglichkeit prüft, verfolgt am Schluss gar keine. Die Unternehmung, die alle Kundensegmente ansprechen will, spricht bald überhaupt keine mehr an. Und der Verkäufer, der jedem Lead nachspringt, steht am Ende ohne Kunden da.“

Einige seiner konkreten Empfehlungen für den (Management-)Alltag:

  • „Seien Sie allen Vorhersagen gegenüber skeptisch, besonders wenn sie von sogenannten Experten stammen. Und gehen Sie bei allen Plänen immer vom pessimistischsten Szenario aus.“
  • „Treffen Sie die bewusste Entscheidung, gewisse Möglichkeiten außer Acht zu lassen.“
  • „Stellen Sie Leute ein, die besser sind als Sie selbst, sonst haben Sie bald einen Laden voller Loser.“
  • „Seien Sie vorsichtig, wenn Ihnen Einzelschicksale serviert werden. Fragen Sie nach den Fakten und der statistischen Verteilung dahinter.“ Und andererseits: „Möchten Sie Menschen bewegen, aufrütteln, motivieren, sorgen Sie dafür, dass es ordentlich menschelt.“ (Nicht zufällig ist der Trivialroman – und nicht das Sachbuch – die literarische „Killer App“ …)
  • „Wenn die Situation unklar ist, unternehmen Sie nichts, bis Sie die Situation besser einschätzen können. Halten Sie sich zurück.“

Und vor allem:

  • „Konzentrieren Sie sich auf die wenigen Dinge, die Sie wirklich beeinflussen können – und von denen konsequent nur auf die wichtigsten. Alles andere lassen Sie geschehen.“

Warum ein Management Team kein Entscheidungsgremium ist – und wofür man es stattdessen nutzen sollte

Mein ehemaliger Kollege Bob Frisch hat seine persönliche Quintessenz aus fast 30 Jahren Arbeit als Topmanagement-Berater – bei BCG, Gemini Consulting, Accenture und seit vielen Jahren in seinem eigenen Unternehmen SOG – in einem lesenswerten Buch unter der Überschrift Who’s in the Room? How Great Leaders Structure and Manage the Teams Around Them zusammengefasst.

Hier seine wesentlichen Botschaften für CEOs, Geschäftsführer, ergebnisverantwortliche Manager in Unternehmen jeder Größe:

  • Nicht Teams entscheiden, sondern der letztlich Gesamtverantwortliche. Wer glaubt, dass das formale Senior Management Team (SMT) eines Unternehmens, das heißt die typische Geschäftsführung oder Geschäftsleitung mit ihren 7-10 Mitgliedern, die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen trifft oder treffen sollte, liegt in aller Regel falsch.
  • Wesentliche Weichenstellungen passieren vielmehr in praktisch allen Unternehmen (richtigerweise) in kleinen Abstimmrunden, in denen der CEO eines Unternehmens enge Vertraute und Ratgeber konsultiert – sein „Küchenkabinett“ – ehe er dann (hoffentlich) das tut, wofür er als Letztverantwortlicher auch bezahlt wird: Entscheiden.
  • Ein SMT als „Entscheidungsgremium“ zu positionieren, führt deshalb nur zu Ineffizienz und Frustration bei allen Beteiligten – der man auch mit noch so viel Teambuilding-Aktivitäten nicht erfolgreich entgegen wirken wird.
  • Effektive CEOs wissen dies und nutzen ihr SMT anders: nämlich als zentrales Gremium, um Alignment zu erzielen und wesentliche strategische Aktivitäten zu koordinieren; – indem sie mit diesem Team (1.) ein gemeinsames Verständnis zur zukünftigen Vision und Entwicklungsrichtung des Unternehmens erarbeiten – auf Basis einer fundierten Diskussion wesentlicher Veränderungen im externen Umfeld („Drivers of Change“), der (schon vorhandenen und aufzubauenden) Fähigkeiten im Unternehmen („Capabilities and Assets“), und der (vorgegebenen oder selbstgesetzten) Grundprinzipien und Grenzen des Geschäftsbetriebs („Boundaries of the Company“); (2.) die notwendigen strategischen Initiativen identifizieren und priorisieren, die es braucht, um die Vision zu realisieren; und (3.) Abhängigkeiten zwischen einzelnen Initiativen herausarbeiten und bestmöglich adressieren, inkl. einer effektiven Allokation von Ressourcen und Verantwortlichkeiten.
  • Entsprechend fordern effektive CEOs die Mitglieder ihres SMT auch eher nicht auf, in Diskussionen vor allem „das Ganze“ im Blick zu haben – weil sie wissen, dass dies den meisten Direct Reports ihre eigentliche Stärke nimmt: dass sie die Dinge aus einer funktionalen Perspektive fundiert beurteilen, und dass sie einschätzen können, was übergreifende Eintscheidungen für ihren je spezifischen Aufgabenbereich bedeuten.
  • Neben ihren Küchenkabinetten und ihrem SMT haben effektive CEOs (nur) noch mindestens ein zusätzliches Team: nämlich eine größere Runde (die nächste Führungsebene, die Top 50/100 o.ä.), die sie vor allem nutzen, um entweder neue Ideen zu generieren oder schon getroffene Entscheidungen und wichtige Weichenstellungen zu diskutieren und breit und nachhaltig zu verankern.
  • Ansonsten etablieren sie so wenig regelmäßig tagende Gremien wie möglich – und setzen eher auf temporäre, themen- und projektbezogene Teams, die mit der Lösung eines Problems auch wieder verschwinden können.

Am Ende aber gilt vor allem eines: Die aufgesetzte Team-Struktur muss dem Gesamtverantwortlichen „passen“:

  • „There is no one best way to configure the teams around you, but there is one overarching principle you should follow: the portfolio must be tailored for you. It must fit your leadership style, your preferred way of making decisions, and your perceptions of what the organization needs to move forward. (…) The goal is to ensure two things: that you’re getting the input you need to make decisions, and that the executives around you have the opportunity to align their points of view and coordinate organizational activities effectively.“

Was tun im B2B-Vertrieb, wenn das Barometer auf „Challenger“ steht?

Litlle girl reading lot of books

„Werden ausschreiben – unter Einbindung eines Advisors“. „Haben 3rd Party Stop“. „Auch die kleineren Aufträge gehen durch die Geschäftsführung“. „Müssen Einkaufsumgehung vermeiden“. Solche Aussagen hören Vertrieb und Management meiner Klienten von ihren Kunden heute regelmäßig, und dann wird es mit dem Normalgeschäft, und erst recht mit den „Big Tickets“ – dem Abschluss für den großen IT-Outsourcing Deal, dem Multi-Millionen Software Agreement, dem Big Team-Large Project Consulting-Auftrag –, schwieriger. Egal, ob im Vertrieb eines mittelständischen IT-Service-Providers oder bei den Champions League-Playern im B2B Sales, den SAPs, Accentures oder IBMs: die Lage im vierten Quartal ist nie einfach, und meisten wird es mit der Zielerreichung enger als noch vor einigen Jahren.

Warum das so ist? Hier die wahrscheinlichen Hauptgründe:

  1. Kunden wissen heute im Hinblick auf ihre Bedarfe – gerade wenn es um IT-Themen geht – viel genauer, was geht, was sie brauchen, was sie wollen. Mit dem Internet steht heute ein unerschöpflicher Fundus für Information und Anbietervergleiche zur Verfügung – und gut aufgestellte Kunden nutzen diesen konsequent, meist deutlich vor dem ersten Gespräch mit dem Vertrieb eines Anbieters. Und wenn der Kunde schon ganz gut weiß, was läuft, verliert der klassische Solution Selling-Ansatz – durch gezieltes Fragen in vertrauensbildenden Meetings den „Pain Point“, den „Need“, die „Burning Platform“ herausarbeiten und dann in einem aufwändigen Prozess eine passgenaue „Solution“ konfigurieren und verkaufen –, viel von seinem Reiz und seinem Wert für den Kunden. Und Vertriebler, die immer noch so agieren (wollen), wundern sich dann, dass der gewünschte Executive-Zugang immer schwieriger und die Termine immer rarer werden.
  2. Kunden haben ihre Leidenschaft für professionelles Einkaufen entdeckt. Einkäufer sind heute nur noch selten verdiente Sachbearbeiter auf dem Weg zur Betriebsrente, sondern bissige Kostensparer mit vielen Waffen im Arsenal, gerne unterstützt durch professionelle 3rd Party Procurement Advisors (oft ehemalige Mitarbeiter der Solution Provider), die ihre Expertise einbringen und dafür ihren Teil vom (Anbieter-)Kuchen abhaben wollen. Und in der Konsequenz wird dann die Differenzierungsmöglichkeit des RFP-konformen Angebots oft auf „Preis“ reduziert. Kein schöner Zustand für den Sales. 
  3. In allen Konzernen existieren heute Compliance Regeln, die die freihändige „Vergabe unter Kumpels“ – das große Erfolgsvehikel der Beziehungsverkäufer in der Vergangenheit („Wir haben die Sache durchgesprochen, ich bin jetzt auf seinem Geburtstag eingeladen und wir spielen demnächst nochmal Golf zusammen – dann kommt auch der Deal“) – immer schwieriger machen. Selbst die größten Alphas agieren heute vorsichtiger, wenn es um Beauftragungen von geschätzten Externen geht, weil sie wissen, dass irgendwo zwischen Aufsichtsrat, Revision, Arbeitnehmervertretern und missgünstigen Kollegen in der Geschäftsführung immer mal unerfreuliche Rückfragen hochkommen, die am Ende die eigene Vertragsverlängerung gefährden könnten. Da lässt man den Anbieter lieber eine Schleife mehr fliegen, um alle ins Boot  zu holen, oder man lässt es gleich ganz. Matthew Dixon und Brent Adamson, die Autoren des (lesenswerten) Buchs The Challenger Sale, sprechen hier vom „Rise of the Consensus-Based Sale“:

„Our research indicates that widespread support for a supplier across their team is the number-one thing senior decision makers look for in a purchasing decision.“

Was kann ich tun, wenn B2B Sales mein Thema und „mehr verkaufen“ mein Auftrag ist? Aus den Untersuchungen von Dixon und Adamson kann man zumindest erkennen, welchen Typ von „Seller“ ich zukünftig mit Priorität (nicht mehr) fördern und entwickeln sollte:

  • Weder die besonders hart arbeitenden Vertriebler noch die, die ihren Kunden jeden (Problemlöse-)Wunsch von den Lippen ablesen, sind im Solution Selling-Umfeld mehrheitlich übermäßig erfolgreich. Harte Arbeit und hohe Kundenorientierung schaden sicher nicht, aber sie bringen einen Vertriebler auch in Zukunft nicht bis zum Top Achievers Club-Meeting auf Hawaii.
  • Interessanterweise gilt dies auch für diejenigen, die ihren Fokus v.a. auf Relationship Building legen. Exzellente Kundenbeziehungen sind auch zukünftig hilfreich, manchmal notwendig, aber nicht mehr hinreichend für B2B Sales-Erfolg. Mit den Worten von Neil Rackham, Sales Guru und u.a. Autor von SPIN-Selling:

„It seems that the old advice, ‚Build relationships first and then sales will follow‘, no longer holds true. (…) The relationship and the purchasing decision have been decoupled.“

Auf der anderen Seite haben die heute überproportional erfolgreichen B2B-Vertriebler mehrheitlich eines gemeinsam – sie agieren als „Challenger“ ihrer Kunden, und können drei Dinge besonder gut: „Teach – Taylor – Take Control“.

  1. „Teach“: Auf Basis eines umfassenden Markt-, Wettbewerbs- und Geschäftsverständnisses liefern sie dem Kunden unerwartete, neuartige Einsichten, wie er in seinem Business erfolgreicher agieren kann (Unique Perspectives), und können die zugehörige Geschichte gut erzählen (Two-Way Communication Skills).
  2. „Taylor“: Sie kennen die für den Kunden  wichtigen Themen (Customer’s Value Drivers) und was für ihn ökonomischen Erfolg und Misserfolg ausmacht (Economic Drivers), und können deshalb für ihn passgenau die Implikationen einer Geschichte ableiten – inkl. des eigenen Lösungsbeitrags (sprich: Angebots).
  3. „Take Control“: Wenn der Kunde auf den Lösungsvorschlag anspringt, fühlen sie sich wohl, mit ihm über Geld zu reden (Discussing Money) und den notwendigen Druck auszuüben, den Deal möglichst zügig zum Abschluss zu bringen (Pressure the Customer).

Mit Neil Rackham:

„Surveys of customers constantly show that they put the highest value on salespeople who make them think, who bring new ideas, who find creative and innovative ways to help the customer’s business. In recent years, customers have been demanding more depth and expertise. They expect salespeople to teach them things they don’t know. These are the core skills of Challengers. They are the skills of the future (…).“

Und das Fazit für alle, die ihn noch nicht haben: Möglichst rasch einen leistungsfähigen „Challenger“-Vertrieb aufbauen.

Win-Win bei Unternehmensverkäufen – Was Übernehmer suchen

In den letzten Wochen habe ich im Rahmen eines Kundenprojektes eine Serie von Gesprächen zum Thema „erfolgreiche Unternehmensübernahmen“ geführt. Gesprächspartner waren Klienten, die heute als Verwaltungsrat, CEO, Vorstand oder Geschäftsleitungsmitglied Verantwortung in mittelständischen IT-Unternehmen in Deutschland, Österreich oder der Schweiz tragen.

Sie alle sind während der letzten Jahre regelmäßig als Akquisiteure aktiv gewesen und haben ihre Erfahrungen gemacht – mit mehr oder weniger geglückten Deals, den Dos & Donts in Verhandlungsprozessen, den Herausforderungen für ein gelingendes Integrationsprojekt und den Tücken und Chancen der Inanspruchnahme externer Juristen, Pathfinder, Berater. Sie verdanken heute durchschnittlich etwa 1/3 ihres Jahresumsatzes (zwischen ca. 30 und 500 m€) den vollzogenen Übernahmen – und alle planen, auch in den kommenden Jahren weiterhin aktiv zur Industriekonsolidierung beizutragen.

Aus den Gesprächen ergibt sich ein klares Bild, worauf es ankommt, wenn ich als Verkaufsinteressent mit solchen „Übernehmern“ ins Geschäft kommen möchte:

  • Ich bin kein (Serien-)Gründer, der jetzt Kasse machen und dann neu gründen will, sondern schon länger und ernsthaft mit meinem Unternehmen im Markt aktiv, mit einer klaren Positionierung und positiver Reputation bei Kunden, Wettbewerbern, ISVs (Microsoft, SAP, …).
  • Ich habe die letzten Jahre dauerhaft erfolgreich gewirtschaftet und bin deutlich profitabel – eine EBIT-Marge von mindestens 10% wird bei kleineren und fokussierten Unternehmen als „gut erreichbar“ eingeschätzt und entsprechend erwartet.
  • Ich habe einen nennenswerten Anteil an stabilem, dauerhaft wiederkehrendem (recurring“) Umsatz in meinem Geschäft – aus langfristigen Beratungsbeziehungen, Wartungszahlungen, Hosting- oder Application Management-Aufträgen, etc.
  • Als „Gallionsfigur“ des zu übernehmenden Unternehmens bin ich bereit, noch einige Jahre an Bord zu bleiben und weiter einen aktiven Beitrag zu leisten – oder ich habe, wenn ich einen zeitnahen Exit wünsche, ein starkes Management Team aufgebaut, das problemlos auch ohne mich funktioniert.
  • Ich bin bereit, einen Kaufpreis zu akzeptieren, der sich primär aus der aktuellen Geschäftssituation und weniger aus den Business Planungen für die nächsten Jahre herleitet – und ich weiß, dass es wenig plausible Gründe gibt, deutlich mehr als die üblichen Multiples als Zielpreis aufzurufen.
  • Ich bin offen für eine Vertragsgestaltung, in der ein signifikanter Anteil des Kaufpreises von einer erfolgreichen Integration, v.a. aber von der Geschäftsentwicklung der kommenden (drei bis vier) Jahre abhängt.
  • Ich bin weitgehend frei von „Sonnenkönig-Attitüden“ und bereit und fähig, mich ggf. geräuschlos und konstruktiv in das Management-Team des Käufers einzupassen.

Und merke: „Zu große Egos“ sind – neben zu stark abweichenden Vorstellungen zum Kaufpreis – aus Sicht der Übernehmer ganz sicher der wesentlichste „Deal-Breaker“.

Woran erkenne ich ein gut geführtes Unternehmen?

Ein langjähriger Klient hat mich heute gefragt, ob ich Peter Druckers Buch „Managing for Results“ kennen würde. Wir kamen dann darauf, dass ich es ihm vor Jahren zu Weihnachten geschenkt habe. Damals nannte ich es „die ‚Urschrift‘ allen ernsthaften Nachdenkens über gutes Management“. Aus aktuellem Anlass hier noch einmal einige Aussagen von Drucker:

  • „Das Ergebnis der Tätigkeit eines Unternehmens ist ein zufriedener Kunde.“
  • „Resultate gibt es nur in der Außenwelt. Die einzigen Ergebnisse eines Unternehmens werden von einem Kunden erzeugt, der die Kosten und die Bemühungen des Unternehmens in Einnahmen und Profit verwandelt, da er bereit ist, seine Kaufkraft zu nutzen, um die Produkte oder Dienstleistungen des Unternehmens zu erwerben. Innerhalb einer Organisation gibt es nur Bemühungen und Kosten.“
  • „Misserfolge sollten als erste Hinweise darauf gedeutet werden, dass sich entweder der Markt verändert hat, oder dass die Kernkompetenzen des Unternehmens an Relevanz verlieren.“
  • „Je weniger eine Organisation tun muss, um Ergebnisse hervorzubringen, desto besser macht sie ihre Arbeit.“
  • „Ein gut geführtes Unternehmen ist ein ‚lahmes‘ Unternehmen. ‚Dramatisch‘ sind in einer solchen Organisation lediglich die Grundsatzentscheidungen, die sich auf die Zukunft auswirken. Hingegen wird man dort nie Zeuge heroischer Rettungsaktionen, die dazu dienen, die am Vortag begangenen Fehler zu korrigieren.“
  • „Eine Krise, die sich einmal wiederholt, darf kein drittes Mal auftreten. Das heißt, dass sie entweder vollkommen vermieden oder in einen Routinevorgang verwandelt werden kann, dessen Bewältigung man auch dem Pförtner überlassen könnte.“

Die 1-Billion-$-Frage der Betriebswirtschaft

Diverse meiner Klienten tauchen in August-Wilhelm Scheers Buch „Spiele der Manager“ als Protagonisten auf – was in Gesprächen auch immer wieder gerne thematisiert wird.

Weniger diskutiert wird dass Scheer, Gründer und langjähriger erster Mann der IDS Scheer AG, ehemaliger Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der Universität des Saarlandes und Bitkom-Präsident, in seinem Buch auch auf die 1-Billion-$-Frage der Betriebswirtschaft – worauf es am Ende denn nun tatsächlich ankommt, wenn ein Unternehmen dauerhaft erfolgreich sein will – nach 30 Jahren Erfahrung in der Industrie eine klare Antwort gefunden hat:

  • „Nach meiner Meinung verantwortet der CEO 75% des Unternehmenserfolges oder -misserfolges.“

Ein Spitzenunternehmen werden: Zuerst zählt das „Wer“

Topmanagement-Beratung und Executive Search sind natürliche Verbündete in (meist) friedlicher Ko-Existenz: Wir agieren in den gleichen Branchen, wir kennen dieselben Unternehmen – oft länger als deren aktuelles Management –, wir begleiten dieselben C-Level-Klienten durch ihr wechselhaftes Executive-Leben, und wenn der generelle Konjunkturabschwung oder die Budgetbremse eines wichtigen Kunden zufasst, leiden wir gemeinsam.

Eine beliebte, erst gestern wieder geführte Diskussion erinnert ein bisschen an die Henne und das Ei. Sie lautet: Was kommt sinnvollerweise wann, und wer kommt zuerst? Erst die Unternehmensberatung, die dem Klienten hilft, die richtigen strategischen Weichen in die Zukunft zu stellen, das zugehörige Transformationsprogramm aufzusetzen und notwendige Strukturanpassungen und organisatorischen Veränderungen zu definieren (seit den 1960ern wissen wir ja bekanntlich: „Structure follows Strategy“) – auf deren Basis dann eventuell die große Stunde der Headhunter schlägt, die im Anschluss die extern zu besetzenden vakanten Management-Positionen füllen. Oder sollte es zuerst darum gehen, ein schlagkräftiges Management Team zu formen, das dann gemeinsam – und gerne mit externer Unterstützung – daran geht, den letztlich einzuschlagenden Weg nach Vorne zu definieren und umzusetzen?

Ob das „Zuerst-das-Was“-Modell – die Route festlegen, Strategie, Taktik, Organisation definieren und danach Helfer für die Umsetzung suchen – oder das „Erst-Wer-Dann-Was“-Modell überlegen ist, wenn man langfristig ein Spitzenunternehmen schaffen will, hat Jim Collins in einer umfassenden empirischen Studie untersucht, aus der sein Buch „Der Weg zu den Besten“ geworden ist. Und Collins Ergebnis ist eindeutig:

  • „Entscheidend ist, erst die richtigen Leute an Bord zu holen (und die falschen loszuwerden), und sich danach zu überlegen, wohin die Reise gehen soll.“

Die zentrale Leitidee in den von ihm betrachteten Spitzen- oder „Take-Off“-Unternehmen: „Wenn ich die richtigen Leute an Bord habe, die richtigen Fragen stelle und leidenschaftliche Debatten anzettele, werden wir gemeinsam einen Weg finden, um aus diesen Unternehmen ein Spitzenunternehmen zu machen.“

Die langfristig deutlich erfolgloseren Vergleichsunternehmen praktizierten dagegen in der Regel ein Modell des „Genies mit den 1000 Helfern“, ein Modell, „bei dem das Unternehmen die Nebenrolle und ein großes Genie die Hauptrolle spielt“, und in dem es nur selten ein Management Team gibt, das diesen Namen verdient; dafür aber eine dominante Einzelperson an der Spitze, dem „gute Soldaten“ (Line Manager, Stäbe, Berater) dabei helfen, großartige Ideen, Strategien, Pläne in die Tat umzusetzen – mit der Konsequenz eines enormen Implosionsrisikos, spätestens, wenn das Unternehmen eines Tages ohne seinen Dominator auskommen muss.

 

 

Erfolgreich starten als neuer CEO

In die Geschäftsführungsverantwortung in einem neuen Unternehmen zu wechseln, ist oft selbst für gestandene Executives „ein großes Ding“. Ian Davis, ehemaliger Managing Director von McKinsey & Company, hat viele der Punkte, die man in einer solchen Situation ernst nehmen sollte, vor einiger Zeit in einem Artikel für das McKinsey Quarterly unter dem Titel „Letter to a newly appointed CEO“  zusammengefasst: https://www.mckinseyquarterly.com/Letter_to_a_newly_appointed_CEO_2607