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Vom Killer App-Potenzial eines Business Plans

Wohl nicht zufällig sind „Die Kunst des klaren Denkens“ von Rolf Dobelli und das Nachfolgewerk „Die Kunst des klugen Handelns“ beliebte Executive-Lektüre: Wer will nicht gerne „klar denken“ und „klug handeln“.

Fakt ist allerdings wohl, dass beides dem modernen Menschen meist nur eingeschränkt gelingt. Dobelli, der Anfang der 1990er gemeinsam mit mir an der Universität St. Gallen studiert hat, erinnert unter anderem daran, dass …

  • wir immer wieder systematisch unsere Fähigkeiten überschätzen (selbst wenn wir behaupten, wir wären der pessimistische Typ); und die wenigsten einmal erfolgreichen Firmengründer diesen Erfolg noch einmal wiederholen können (obwohl es viele versuchen) – weshalb man auch annehmen darf, dass „Glück“ für einen erfolgreichen Start-Up viel entscheidender ist als (sicher auch relevante) Unternehmer-Fähigkeiten. Mit Warren Buffett: „Deine Leistung als CEO ist viel stärker abhängig von dem Business Boot, in dem Du sitzt, als von Deinen Ruderkünsten.“
  • wir weder Wahrscheinlichkeiten noch Risiken intuitiv einschätzen können.
  • Experten in der Regel nicht besser arbeiten als ein Zufallsgenerator.
  • Gruppendiskussionen nachweislich dazu führen, dass riskantere Entscheidungen beschlossen werden.
  • sich 90% menschlichen oder organisationalen Verhaltens durch das etablierte Anreizsystem erklären lassen.
  • Bezahlung überall dort, wo Menschen vorher etwas aus nicht-monetären Gründen getan haben, unwiederbringlich zum Zerfall dieser Bereitschaft führt.
  • wir systematisch die Rolle des Neuen überschätzen, die allermeisten neuen Zaubertechnologien über kurz oder lang dem „Bullshit-Filter der Geschichte“ (Nassim Taleb) zum Opfer fallen werden, und wir vermutlich besser daran täten anzunehmen, dass der Alltag in 50 Jahren größtenteils noch so aussehen wird wie unser heutiges Leben.
  • wir dazu neigen, Informationen sofort wieder zu vergessen, völlig unabhängig von der faktischen Relevanz, und dass uns auch aus langen Vorträgen, vielschichtigen Diskussionen und intensiver Zusammenarbeit am Ende vor allem der letzte Eindruck, der Schluss, die Pointe in Erinnerung bleibt.
  • Krisen nur selten Chancen sind (auch wenn wir es uns einreden), sondern fast immer nur eine massive Schwächung der (unternehmerischen) Substanz bedeuten, die man mühsam und schmerzhaft wieder aufbauen muss.
  • wir bei Investitionsentscheidungen gerne der Projektion nach vorne und weniger dem Blick in die Historie vertrauen, obwohl man überall dort, wo für den Verfasser der Enscheidungsvorlage „einmalig viel“ auf dem Spiel steht, darauf wetten kann, dass er bezüglich seiner Leistungsfähigkeit im Zweifelsfall übertreiben, unseriös kalkulieren oder haltlose Zusagen machen wird.
  • wir davon besessen sind, auf möglichst vielen Hochzeiten zu tanzen, nichts auszuschließen und für alles offen zu sein – obwohl wir wissen können, dass jede Option, die wir uns offenhalten, Kosten verursacht, mentale Energie abzieht und wertvolle Denk- und Lebenszeit verbraucht. „Der CEO, der jede erdenkliche Expansionsmöglichkeit prüft, verfolgt am Schluss gar keine. Die Unternehmung, die alle Kundensegmente ansprechen will, spricht bald überhaupt keine mehr an. Und der Verkäufer, der jedem Lead nachspringt, steht am Ende ohne Kunden da.“

Einige seiner konkreten Empfehlungen für den (Management-)Alltag:

  • „Seien Sie allen Vorhersagen gegenüber skeptisch, besonders wenn sie von sogenannten Experten stammen. Und gehen Sie bei allen Plänen immer vom pessimistischsten Szenario aus.“
  • „Treffen Sie die bewusste Entscheidung, gewisse Möglichkeiten außer Acht zu lassen.“
  • „Stellen Sie Leute ein, die besser sind als Sie selbst, sonst haben Sie bald einen Laden voller Loser.“
  • „Seien Sie vorsichtig, wenn Ihnen Einzelschicksale serviert werden. Fragen Sie nach den Fakten und der statistischen Verteilung dahinter.“ Und andererseits: „Möchten Sie Menschen bewegen, aufrütteln, motivieren, sorgen Sie dafür, dass es ordentlich menschelt.“ (Nicht zufällig ist der Trivialroman – und nicht das Sachbuch – die literarische „Killer App“ …)
  • „Wenn die Situation unklar ist, unternehmen Sie nichts, bis Sie die Situation besser einschätzen können. Halten Sie sich zurück.“

Und vor allem:

  • „Konzentrieren Sie sich auf die wenigen Dinge, die Sie wirklich beeinflussen können – und von denen konsequent nur auf die wichtigsten. Alles andere lassen Sie geschehen.“

Woran erkenne ich ein gut geführtes Unternehmen?

Ein langjähriger Klient hat mich heute gefragt, ob ich Peter Druckers Buch „Managing for Results“ kennen würde. Wir kamen dann darauf, dass ich es ihm vor Jahren zu Weihnachten geschenkt habe. Damals nannte ich es „die ‚Urschrift‘ allen ernsthaften Nachdenkens über gutes Management“. Aus aktuellem Anlass hier noch einmal einige Aussagen von Drucker:

  • „Das Ergebnis der Tätigkeit eines Unternehmens ist ein zufriedener Kunde.“
  • „Resultate gibt es nur in der Außenwelt. Die einzigen Ergebnisse eines Unternehmens werden von einem Kunden erzeugt, der die Kosten und die Bemühungen des Unternehmens in Einnahmen und Profit verwandelt, da er bereit ist, seine Kaufkraft zu nutzen, um die Produkte oder Dienstleistungen des Unternehmens zu erwerben. Innerhalb einer Organisation gibt es nur Bemühungen und Kosten.“
  • „Misserfolge sollten als erste Hinweise darauf gedeutet werden, dass sich entweder der Markt verändert hat, oder dass die Kernkompetenzen des Unternehmens an Relevanz verlieren.“
  • „Je weniger eine Organisation tun muss, um Ergebnisse hervorzubringen, desto besser macht sie ihre Arbeit.“
  • „Ein gut geführtes Unternehmen ist ein ‚lahmes‘ Unternehmen. ‚Dramatisch‘ sind in einer solchen Organisation lediglich die Grundsatzentscheidungen, die sich auf die Zukunft auswirken. Hingegen wird man dort nie Zeuge heroischer Rettungsaktionen, die dazu dienen, die am Vortag begangenen Fehler zu korrigieren.“
  • „Eine Krise, die sich einmal wiederholt, darf kein drittes Mal auftreten. Das heißt, dass sie entweder vollkommen vermieden oder in einen Routinevorgang verwandelt werden kann, dessen Bewältigung man auch dem Pförtner überlassen könnte.“

Die 1-Billion-$-Frage der Betriebswirtschaft

Diverse meiner Klienten tauchen in August-Wilhelm Scheers Buch „Spiele der Manager“ als Protagonisten auf – was in Gesprächen auch immer wieder gerne thematisiert wird.

Weniger diskutiert wird dass Scheer, Gründer und langjähriger erster Mann der IDS Scheer AG, ehemaliger Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der Universität des Saarlandes und Bitkom-Präsident, in seinem Buch auch auf die 1-Billion-$-Frage der Betriebswirtschaft – worauf es am Ende denn nun tatsächlich ankommt, wenn ein Unternehmen dauerhaft erfolgreich sein will – nach 30 Jahren Erfahrung in der Industrie eine klare Antwort gefunden hat:

  • „Nach meiner Meinung verantwortet der CEO 75% des Unternehmenserfolges oder -misserfolges.“

Ein Spitzenunternehmen werden: Zuerst zählt das „Wer“

Topmanagement-Beratung und Executive Search sind natürliche Verbündete in (meist) friedlicher Ko-Existenz: Wir agieren in den gleichen Branchen, wir kennen dieselben Unternehmen – oft länger als deren aktuelles Management –, wir begleiten dieselben C-Level-Klienten durch ihr wechselhaftes Executive-Leben, und wenn der generelle Konjunkturabschwung oder die Budgetbremse eines wichtigen Kunden zufasst, leiden wir gemeinsam.

Eine beliebte, erst gestern wieder geführte Diskussion erinnert ein bisschen an die Henne und das Ei. Sie lautet: Was kommt sinnvollerweise wann, und wer kommt zuerst? Erst die Unternehmensberatung, die dem Klienten hilft, die richtigen strategischen Weichen in die Zukunft zu stellen, das zugehörige Transformationsprogramm aufzusetzen und notwendige Strukturanpassungen und organisatorischen Veränderungen zu definieren (seit den 1960ern wissen wir ja bekanntlich: „Structure follows Strategy“) – auf deren Basis dann eventuell die große Stunde der Headhunter schlägt, die im Anschluss die extern zu besetzenden vakanten Management-Positionen füllen. Oder sollte es zuerst darum gehen, ein schlagkräftiges Management Team zu formen, das dann gemeinsam – und gerne mit externer Unterstützung – daran geht, den letztlich einzuschlagenden Weg nach Vorne zu definieren und umzusetzen?

Ob das „Zuerst-das-Was“-Modell – die Route festlegen, Strategie, Taktik, Organisation definieren und danach Helfer für die Umsetzung suchen – oder das „Erst-Wer-Dann-Was“-Modell überlegen ist, wenn man langfristig ein Spitzenunternehmen schaffen will, hat Jim Collins in einer umfassenden empirischen Studie untersucht, aus der sein Buch „Der Weg zu den Besten“ geworden ist. Und Collins Ergebnis ist eindeutig:

  • „Entscheidend ist, erst die richtigen Leute an Bord zu holen (und die falschen loszuwerden), und sich danach zu überlegen, wohin die Reise gehen soll.“

Die zentrale Leitidee in den von ihm betrachteten Spitzen- oder „Take-Off“-Unternehmen: „Wenn ich die richtigen Leute an Bord habe, die richtigen Fragen stelle und leidenschaftliche Debatten anzettele, werden wir gemeinsam einen Weg finden, um aus diesen Unternehmen ein Spitzenunternehmen zu machen.“

Die langfristig deutlich erfolgloseren Vergleichsunternehmen praktizierten dagegen in der Regel ein Modell des „Genies mit den 1000 Helfern“, ein Modell, „bei dem das Unternehmen die Nebenrolle und ein großes Genie die Hauptrolle spielt“, und in dem es nur selten ein Management Team gibt, das diesen Namen verdient; dafür aber eine dominante Einzelperson an der Spitze, dem „gute Soldaten“ (Line Manager, Stäbe, Berater) dabei helfen, großartige Ideen, Strategien, Pläne in die Tat umzusetzen – mit der Konsequenz eines enormen Implosionsrisikos, spätestens, wenn das Unternehmen eines Tages ohne seinen Dominator auskommen muss.